Clueso über den "King of Pop", seine Zeit in Köln und
die Frage nach dem "Wohin".
Frage 1: Heute Nacht verstarb der „King of Pop“, Michael Jackson – was geht Dir, ganz spontan, ganz ungefiltert, durch den Kopf – das können auch Schlagworte sein?
Clueso: Wahnsinn, genial, Michael Jackson war so tief in der Musik gefangen,dass er verloren war. Meines Erachtens war er konsequent in all seinen Verrücktheiten. Und das fast schon nicht mehr menschliche machte ihn dann wieder menschlich oder vielleicht eher: das machte ihn so interessant für die Leute.
Wir sitzen schon den ganzen Tag vor M-TV, schauen und Videos an und können uns irgendwie gar nicht losreißen.
Hier lässt sich Clueso dann doch noch etwas länger ein, beschreibt, wie unglaublich groß der eigene Anspruch von Michael Jackson an sich selbst, die eigene Leistung gewesen sein muss, dass er zu beispielsweise auch solchen tänzerischen Leistungen fähig war.
(A.d.R: schaut mal auf Youtube: Clueso und Blumentopf Freestyle auf dem Tollwood – ab ca. Minute 3 geht’s los: Clueso&Band und die Töpfe bringen den Beat von „Billie Jean“)
Frage 2: Kleine Clubs oder großes Festival – was macht ihr lieber?
Wo ist für euch der Unterschied?
Clueso: Für mich gibt es da nicht so wirklich einen großen Unterschied. Allerdings haben wir auf Festivals einfach weniger Zeit – wir sind ja nicht die einzigen.
(wir haben natürlich die Live-Übertragung von Southside im Radio gehört und fanden Clueso & Band hier irgendwie anders, vielleicht „rockiger“, allerdings war Clueso selbst das so nicht aufgefallen)
Frage 3: Ihr wart ja mit Grönemeyer auf Tour. Ist es euer Wunsch, irgendwann den Status und die Bekanntheit eines Grönemeyers zu haben?
Clueso: Das fragen wir uns auch oft: würden wir das wollen und wo wollen wir überhaupt hin? Und nach den ersten zwei Tagen auf dieser Grönemeyer-Tour war ich nicht sicher, ob das auch was für uns ist, aber mittlerweile finde ich: warum nicht? Warum nicht die Hallen füllen, wenn die Fans drauf stehen? Denn es ist natürlich auch ein super Gefühl, vor so vielen Leuten zu spielen.
(im Verlauf des Gespräches kommen wir noch einmal auf dieses Thema zurück. Clueso erklärt uns, dass es eben auch eine künstlerische Veränderung mit sich bringt, in so großen Hallen zu spielen: die Songs müssen so konzipiert sein, dass sie in großen Hallen funktionieren. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil und macht die Songs nicht zwangsläufig schlechter. Wir hatten den Eindruck, dass dieser Umstand auch etwas war, das Clueso & Band für sich zunächst entscheiden mussten).
Frage 4 Wenn man so berühmt ist wie Grönemeyer, dann bedeutet das ja nicht nur, dass man eventuell selbst hin- und wieder zweifelt, was das Gegenüber von einem will. Es kann ja auch bedeuten, dass das Gegenüber eventuell nicht sicher ist: mag ich den jetzt, weil er der Clueso“ ist? Würde ich ihn auch mögen, wenn er einfach „nur“ Thomas Hübner ist? Wäre es Dir das wert?
Das wird zunächst ein bisschen hin und herdiskutiert. Abschließend ist sich Clueso aber ganz sicher, dass er damit umgehen könnte. Er betont, dass er wirklich ein super Umfeld hat, das ihn immer wieder erdet. Die meisten kennt er ja auch schon seit der Zeit vor seinem großen Erfolg. Mit anderen Musikern sei das eh ganz leicht – sobald man zusammen Musik macht, denkt man gar nicht mehr darüber nach, wer jetzt bekannter ist. Er ist sich auch ganz sicher, dass er seinem Gegenüber, auch wenn das jemand ganz fremdes ist, der nichts mit Musik zu tun hat, diesen Vorbehalt nehmen könnte.
Frage 5: Deine Songs werden immer beliebter – wie die Charts beweisen.
Welcher Deiner Songs, somit: Songs, die Du selbst geschrieben hast, sind aber Deine persönlichen Lieblingslieder?
Clueso: Derzeit ist es Gewinner, weil ich da jedes Mal andere Bilder im Kopf habe. (A.d.R.: diese Frage & Antwort stellten wir bereits im Radio, kamen hier aber noch einmal darauf zurück)
Clueso ergänzt: Eigentlich ist es immer der neueste.
Wir haken nach: also könnte man sagen, du verkonsumierst Deine eigenen Songs?
Clueso: ja und nein. Vieles von dem, was ich bis jetzt gemacht habe, würde ich heute anders machen. Beispielsweise „weit weg“ finde ich heute etwas steif und etwas voll. „So sehr dabei“ hingegen, obwohl viele glauben, dass sei ein ganz nachdenkliches Album: wir, die Band, waren einfach gut drauf, die Songs kamen aus einer echt guten Laune heraus zu Stande, da ist nichts erzwungen. Wenn man, so wie wir, viel live spielt, dann bekommen die Songs manchmal auch eine ganz eigene Dynamik. Manche Songs würden wir jetzt gerne noch mal neu aufnehmen.
Frage 6: wenn Du es Dir aussuchen dürftest:
Welchen Menschen würdest Du gerne treffen, um ihm eine bestimmte Frage zu stellen bzw. ihm einen bestimmten Satz zu sagen? Du könntest dabei absolut sicher sein, dass Deine Frage ganz verbindlich beantwortet würde bzw. Dein Satz die von Dir gewünschte Konsequenz nach sich zieht?
Clueso: das ist eine wirklich gute Frage und sie wird mich bestimmt noch eine Weile nicht mehr loslassen, aber leider kann ich sie nicht beantworten.
Frage 7: Du hast ja in dem Kurzfilm von Baris Aladag "Unter Wasser" mitgespielt und ja auch die Filmmusik geschrieben. Was wäre Deine Traum-Rolle in einem Kino-Film? Eher Gangster oder Guter? Eher Liebesfilm oder Krimi?
Diese Frage wird etwas länger besprochen. Tatsächlich hatte Clueso bereits ein Filmangebot, das er jedoch aus verschiedenen Erwägungen ausgeschlagen hat. Hier sollte er einen Jungen in einer Boy-Group spielen, der sich im weiteren Verlauf des Films „freischwimmt“, um eine Solo-Kariere zu starten. Den Part des „Freischwimmens“ hätte er auch gut gefunden. Allerdings hatten wir den Eindruck, dass der Part „Boy-Group“ für ihn nicht machbar war. Er erzählt uns von den aktuellen Filmarbeiten eines befreundeten Regisseurs und wie sehr spannend er fand, wie hier vorgegangen wird. Er berichtete uns zum Beispiel von einer sehr interessanten und gleichzeitig lustigen
Synchronisationsmethode.
Außerdem sagt Clueso: eine Mischung aus allem wäre perfekt. Ich mag Johnny Depp, seine Vielseitigkeit und seine Filme, weil er immer er selbst und dabei immer ein anderer ist.
Grundsätzlich ist für Clueso wichtig zu spüren, dass derjenige, der mit einer (Film-) Idee an ihn herantritt, wirklich mit Leib und Seele hinter diesem Projekt steht, die Begeisterung des anderen für dieses Projekt muss auf ihn überspringen.
Frage 8: Wir, also Deine Fans, sind ja letztlich die „Götter, die Du gerufen hast“.
Aber gibt es etwas, das Du bei Fans überhaupt nicht ausstehen kannst?
(bevor er diese Frage beantwortet, sagt Clueso, dass er wirklich die besten und coolsten Fans hat. Er mag an seinen Fans, dass sie in aller Regel keine kreischenden Massen sind und dass sie sich auch umsichtig zu benehmen wissen. Das wird ihm auch immer wieder von den Veranstaltern rückgemeldet – seine Fans gehen super mit, benehmen sich vor und nach den Konzerten aber „anständig“. Ich bestätige das und erzähle Clueso, dass mich die "Großen" Fans immer in die erste Reihe lassen, schauen, ob ich okay bin, fragen, ob ich was zu trinken brauche etc. und das ich diese Fan-Freundlichkeit bisher bei noch keinem andern Künstler, auf dessen Konzert ich war, erlebt habe).
Clueso: Klar gibt es auch Dinge, die mich stören. Wenn wir auf der Bühne gerade einen Song performen und statt den dann zu genießen, rufen uns die Fans zu, welchen anderen Song wir als nächstes spielen sollen – das nervt dann schon.
Manchmal stört es mich auch, das einige Fans das ganze Konzert über nur versuchen, mit ihrem Handy die besten Fotos und die besten Mitschnitte zu machen und dabei das Konzert, die Realität verpassen. Das ist so wie mit Urlaubsfotos: die bestens Momente sind nicht die, die du auf einem Foto festgehalten hast. Ich will, dass die Leute mitbekommen, wo sie jetzt gerade sind und gleichzeitig sollen sie vergessen, wo sie gerade sind. Das geht natürlich nicht, wenn einer nur auf sein Handy fixiert ist.
Manchmal wünsche ich mir auch, dass meine Fans noch mehr verstehen, dass ich die Dinge, die ich so mache (A.d.R. gemeint sind Texte, Musik und Konzerte), in erster Linie für mich mache.
Clueso versucht, das noch etwas besser zu erklären. Wenn er einen Song schreibt, dann denkt er dabei ja nicht daran, dass das eine Nummer eins werden soll und er hinterfragt auch nicht, ob Text und Musik auf die jeweiligen Lebensumstände seiner Fans passen. Sondern dieser Song entsteht aus einer gewissen „Notwendigkeit“ heraus, einem tiefen inneren Gefühl, diesen Song genau so zu schreiben.
Frage 10: als eingefleischter Fan kenne ich natürlich jeden einzelnen Deiner Songs.
Trotzdem gibt es ja auch das Gerücht, dass einige Deiner – wohl vor allem weiblichen Fans - Dich zum Teil „nur“ oder zumindest auch wegen Deiner Optik toll finden. Stört das den Künstler in Dir?
Clueso: Es stört mich schon, wenn Leute mich „schnuggelisch“ finden. Natürlich will ich vor allem
wegen meiner Musik wahrgenommen werden. Allerdings habe ich auch nicht den Eindruck, dass die Zahl derer, die erst mich sehen und dann meine Musik, wirklich so groß ist. Aber logisch: die kreischenden Fans machen den meisten Lärm, auch wenn es im Vergleich zum Rest nur ganz wenige sind.
Frage 11: Es gibt ja einige Songs mit oder von Dir, die man gar nicht mehr auf CD kaufen kann („the Disc“ oder „don´t the Video“). Ist hier mal so etwas wie ein „best of“ oder vielleicht eher ein „lange nicht mehr gehört“-Album geplant?
Clueso: Ja, ein B-Seiten-Album – das ist eine tolle Frage. Ich hab schon darüber nachgedacht, wie wir von den Fans erfahren können, ob und wenn ja: welche Songs sie gerne auf so einem Album hören wurden. Vielleicht könnte man das auch dann so machen wie seinerzeit die „Einstürzenden Neubauten“ mit ihrem „Supporter Project“. Wir wollen die Leute ja auch nicht zuschütten mit Material. Also überlegen wir das vielleicht mit einem Forum herauszufinden.
(A.d.R.: locker bleiben, noch gibt es solch ein Forum nicht).
Clueso erklärt uns noch etwas ausführlicher, wie dieses "Supporter Project" seinerzeit funktioniert hat und denkt - aus unserer Sicht - "laut darüber nach", möglicherweise mit einer B-Seiten-Platte ähnlich zu verfahren, legt sich hierzu aber nicht fest.
Frage 12: Du hast ja schon mit vielen verschieden Künstlern Musik gemacht. Mit welchem Künstler, der möglicherweise für Dich heute noch unerreichbar wäre, würdest Du gerne mal Musik machen.
Clueso: die bisherige Arbeit mit anderen Künstlern entstand ganz einfach so, bisher waren das erst Freundschaften und dann haben wir Musik gemacht. Also, das waren jetzt nicht von irgendjemandem für uns geplante Aktionen. Bei manchen Sachen wissen wir auch noch gar nicht, ob wir das überhaupt mal rausbringen. Zurzeit mache ich ja auch mit den Künstlern, mit den ich schon immer gerne Musik machen wollte, Musik. Max Herre zum Beispiel, mit dem Arbeite ich gerade.
Von daher – schwer zu sagen…
Wir haken nach: vielleicht einen internationalen Künstler? Sagen wir mal Bono?
Clueso: ja klar, Bono würde ich sehr gerne mal kennen lernen, allein, weil ich ihn als Mensch bewundere. Am Beispiel von Bono kann man auch sehen, wie junge Musiker optimal kreativ gefördert werden können. Da wird mir auch immer wieder klar, dass jeder Künstler und natürlich die Bekanntheit eines jeden Künstlers auch immer eine „Währung“ ist. Der Verantwortung, die das mit sich bringt, sollte man immer bewusst sein. Natürlich ist Bono ein begnadeter Künstler, aber vor allem der menschliche Aspekt würde mich hier reizen.
(später sagt uns Clueso, dass er gerne mal mit Peter Fox was machen würde. Sie kennen sich zwar über das gemeinsame FourMusic-Label, haben aber noch nicht zusammen gearbeitet.)
Freestyle:
Auf den Konzerten, auf denen wir bisher waren, hast Du „uns“, also Deine Fans, ja immer gefilmt. Was machst Du mit den ganzen Bändern?
Clueso: (lacht) die verlier ich meistens irgendwie wieder…und dann: Im jeweiligen Moment ist es für mich wichtig, das alles festzuhalten, die Begeisterung in diesem Augenblick. Ich guck mir auch gerne mein Leben an, wie`s einfach so ist. Aus manchen Tapes machen wir dann auch Trailer, wie etwa jetzt für die Festivals, damit die Fans sich noch besser vorstellen können, was sie dort erwartet.
Wir haben uns immer gefragt, wie Deine Musik so entsteht. Anhand der Videos, die ihr selbst auch zu Verfügung stellt, könnte man meinen, alles ist ganz easy, ganz gechillt und auch eure Musik kommt ja nicht unbedingt "superfrisiert" rüber. Aber jetzt, während wir so reden, haben wir auch schon ein paar Mal rausgehört, dass es wirklich auch harte, professionelle Arbeit ist…
Clueso erklärt uns, dass sie, wenn sie die Songs schreiben, tatsächlich einfach nur gut drauf sind, dass Spaß und Freude hier ganz wichtig sind. Der Zufall muss hier noch Platz haben. Die eigentliche Arbeit beginnt aber dann im Studio, wenn geschnitten und abgemischt wird.
Clueso (zum Thema „Traumurlaub“): am besten nicht weit fahren, dass mach ich ja eh die ganze Zeit. Also einfach Zeit haben, nix tun, nirgendwo hin müssen, dann bin ich happy.
Seid wann gibt es Clueso & Band in dieser Formation?
Clueso: uns gibt es in dieser Zusammensetzung seit „Gute Musik“. Text und Ton hab ich ja noch in Köln gemacht.
Wir kommen auf seine Zeit in Köln zu sprechen. Clueso erklärt uns, dass das wirklich eine schöne Zeit war, im Grunde hat alles gepasst: die Stadt ist schön, die Leute gut drauf, aber, so Clueso „es war gefühlsmäßig wie ein verlängertes Wochenende, nur das es eben nicht aufhörte. Irgendwann hatte ich einfach Heimweh“. Er erzählt uns von Erfurt, dass ihm die Umgebung und die Leute hier den nötigen halt geben. Außerdem mag er es, wenn er in Erfurt beim Pizzaservice um die Ecke anruft und hat dann nicht einen Telefonprofi am Ohr, sondern einen, der sagt…(und dann macht er im schönsten sächsisch ein paar Sätze nach).
Hast Du, vor allem im Moment, nicht das Gefühl, 3 Stufen auf einmal zu nehmen?
Kommst Du bei Deinem eigenen Tempo überhaupt noch mit?
Clueso sagt uns, dass das gerade eine sehr aufregende Zeit für ihn ist. Früher, so Clueso, hat er zum Beispiel Max Herre bewundert. Heute macht er mit ihm Musik. Das ist für ihn schon sehr cool. Aber auch hier betont er wieder, dass sein Umfeld ihn davor bewahrt, das alles nicht richtig zu sortieren.
Hierzu passt: wir Fragen ihn nach dem Open Air in Bonn, für das wir Karten haben. Wie viele Leute werden da erwartet?
Clueso: Laut Veranstalter etwa 8.000 und wie wir erfahren haben, ist das Konzert ausverkauft. Das können wir auch noch nicht richtig glauben.
Und wann hat er das noch mal gesagt? Egal, es ist von ihm:
"Manchmal gehe ich an einem Café vorbei und wünsch mir, dass mich jemand erkennt. Aber das ist natürlich nicht immer so."
Noch ein schöner Satz, von dem wir nicht mehr so genau wissen, wo er eigentlich hingehört:
“Ich finde es immer schön zu sehen, wo meine Musik dann letztlich landet.“
Wir fragen Clueso, ob – nach dem großen Erfolg von "So sehr dabei" – der Druck nicht unbeschreiblich hoch ist. Wir wollen wissen, wie es für ihn wäre, wenn das nächste Album total floppt. Clueso denkt nach, sagt dann aber, dass er auch dann noch sicher sei, alles richtig gemacht zu haben. „Ich würde
denken: Leute, ihr habt euch vertan. Das ist auch Clueso, hört es euch noch mal an.“
Baden-Baden am 26.06.2009.
Emily bedankt sich bei Clueso. So sehr. Und noch mehr.
Clueso hat mich gefragt: Was hörsde denn sonst noch so für Musik?
Ich antwortete: Hm...kennsde...Clueso?
Heute, nicht mehr so aufgeregt, würde ich antworten:
Weißt Du, Clueso: einmal ans Meer gelangt, sprichst Du nicht mehr
über die Nebenflüsse.